Gestern, als wir in der kleinen Kirche, außerhalb von Kampala, Ostern gefeiert haben, fing dieser blöde Regen an. Mitten in meiner Predigt geht draußen das Licht aus und Wasser trommeln auf das Blechdach, so dass ich mich nur noch mit Brüllen verständlich machen kann. Und seid dem hat es nicht aufgehört zu gießen und der rote Staub, der überall rumliegt ist zu einem unbefahrbaren, schlammigen Fluss geworden, der das Autofahren unmöglich macht. Wenn es regnet sitzt man rum, in Afrika und ich bin schlecht gelaunt, weil es nichts zu tun gibt. Es gibt drei Gründe, warum ich den März auf einem Workcamp in Uganda verbringe.
  1. Ich rede seit ein paar Jahren ständig über soziale Gerechtigkeit, über ein weiches Herz für die Armen, die Schwachen, die Unterdrückten. Immer nur reden wird irgendwann doof, ich wollte mal ganz praktisch, ganz persönlich etwas tun!
  2. Ich bin gerade Pastor einer Gemeinde geworden, die anonym viel Geld an Kinderhilfswerke gibt. Ich träume davon, was passieren könnte, wenn wir ein Dorf, eine Kirche, eine Schule kennenlernen würden, wo Beziehungen entstehen und wir richtig gezielt dafür sorgten, dass auf „unserem“ kleiner Teil von Gottes guter Erde ein Stück Himmel passierte.
  3. Mein Sohn, Lukas betet mit mir, fast jeden Abend, weil er endlich mal Gott sehen will und an ihn glauben können möchte. Das will ich auch und Jesus hat mal gesagt, dass wir ihn gerade in den Armen und Unterdrückten wiedererkennen können. Ich habe also große Hoffnung Jesus in Uganda zu finden.
Aber jetzt regnet es also und ich sitze hier auf den Ledersofas in unserem Quartier, bei den Kanadischen Missionaren. Ich frag mich, wie es meinen beiden Freunden Joseph und Stephen geht, den Lehrern der kleinen Schule, auf der ich letzte Woche unterrichten und mit diesen super Kindern spielen und Musik machen durfte. Wahrscheinlich sitzen die jetzt zusammen auf dem Steinboden dieser klitzekleinen Hütten, im Dunkeln und versuchen sich irgendwie trocken und den roten Schlamm draußen zu halten. Was machen die, wenn es regnet und es nichts zu tun gibt? Vor ein paar Tagen durfte ich mit vielen kleinen Aidswaisen den Morgen verbringen. Meine Mitstreiterin Audrey hatte mir Seifenblasen besorgt und wir haben den ganzen Vormittag lang „Bubbles“ gemacht und wieder platzen lassen. Mutter Theresa hätte gesagt, dass ich mit Jesus gekuschelt habe. Und irgendwie kann ich das jetzt auch glauben. Am Nachmittag waren wir in diesen unsagbar armen Hütten, der Mamas. In Uganda gibt es eine Aidsrate von 25% und eigentlich jede Frau wird dann sitzen gelassen, mit den vielen Kindern, fast immer von dem Mann der sie angesteckt hat. Es gibt hier ein kleines Programm (TAPPS), das Frauen zusammenbringt um miteinander über diese Krankheit, über die niemand spricht, zu reden, das Medizin besorgt und, wenn möglich kleine Jobs. Diese tapferen Frauen durften wir besuchen beschenken, beten. Einige von meinen „Bubbles“ Kindern vom Vormittag habe ich wiedergesehen. Wie wir uns manchmal mit 15 Leuten in diese kleinen, dunklen Zimmer zwängen, ist schon abenteuerlich, finden besonders meine Beine, die sich ständig verkrampfen aber keinen Platz für Bewegungsfreiheit haben. Nachdem ein kleines Mädchen ein Gedicht vorträgt: „Aids wo kommst du her? Ich habe dich nicht eingeladen! …“ soll ich beten. Was sagt man in so einer Situation? Auf dem Nachhauseweg durch die Slums, bin ich mal wieder von einer Horde Kinder umgeben, die meine weiße Haut und langen Haare anfassen wollen und einem alten zahnlosen Mann, der mir unbedingt sein Statussymbol Handy zeigen muss. Zum Glück kommt Nora, die mutige afrikanische Projektleiterin zurück, um mich zu retten. Wie dieser Slum jetzt im Regen aussieht, daran möchte ich gar nicht denken. Die Wahrheit ist nämlich, dass man sich, trotz aller Betroffenheit, ständig dagegen wehren muss, unsere Besuche nicht zu einem Zooausflug zu reduzieren. Heute war ich in den Slums und habe Aidskinder gestreichelt. Nun sitze ich also in meiner Missionarswohnung, zwar schlecht gelaunt aber trocken, warm und mit einem Becher Kaffee in der Hand. Und die Armen sind woanders. Am Ende des Tages bringt der Bus mich immer zurück in die Oase. Deswegen kann man die Armut ganz gut ertragen. Jesus ist dageblieben. Er hat 3 ½ Jahre, bewusst, als Obdachloser und Ausgestoßener gelebt. Das lerne ich neu, während meiner Regenpause. Ich kann das nur bewundern, weil ich es nicht könnte. Ich bin irgendwie doch noch Tourist. Jesus ist einer von ihnen, einer von uns geworden!